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Haschisch und Hellsehen

Von Hellsehern und Hellseherinnen berichten schon die Sagen und Legenden frühester Zeiten. Hellseher und Hellseherinnen gibt es auch heute mehr noch als früher; nur erstreckt sich ihr Hellsehen leider vor allem darauf, wie man dem leichtgläubigen und kritiklosen Nebenmenschen Geld aus der Tasche zieht, indem man ihm Erbschaften oder dergleichen prophezeit. Von solchen "geistig inspirierten" Leuten soll hier nicht die Rede sein; wohl jeder ist ein - oder das andermal mit ihnen zu seinem Schaden in Berührung gekommen.

Bei uns hausen sie vorläufig noch im 4. Stock in Vorstadtgebäuden, in Paris halten sie sich vornehme Empfangsräume, und in England annoncieren sie in der "Occult Review". Geld verdienen sie wohl alle, die einen mehr, die anderen weniger, je nach der Dummheit ihrer Kundschaft. Neiden wir es ihnen nicht: der Arbeiter ist seines Lohnes wert. - Betrüblich ist dabei nur das eine: sie tragen mit die Schuld, daß alles, was ins Gebiet des uns geheimnisvoll Scheinenden, des Okkulten, des Mystischen und so weiter einschlägt, gebrandmarkt ist, es sei behaftet und verquickt mit Aberglauben, mit Trug und Betrug, mit Täuschung aller Art, - kurz: es sei Sumpfboden im schlimmsten Sinne.

Nichtsdestoweniger steht fest, daß es eine menschliche Fähigkeit gibt, der der Name Hellsehen mit Recht zukommt. Allerdings sind die einwandfrei geprüften und als echt erwiesenen Fälle ungemein selten.

Immerhin erhärtet ein einziger Fall wie der von Swedenborg die Wahrheit der Tatsache. Trotzdem der Fall in weiten Kreisen bekannt sein dürfte, sei hier wortgetreu nochmals angeführt, was Kant (!) über ihn in seinem Brief an Charlotte von Knobloch schreibt: "Die folgende Begebenheit aber scheint mir unter allen die größte Beweiskraft zu haben und benimmt wirklich allem erdenklichen Zweifel die Ausflucht. Es war im Jahre 1759, als Herr von Swedenborg gegen Ende des Septembermonats am Sonnabend gegen 4 Uhr nachmittags aus England ankommend, zu Gothenburg ans Land stieg. Herr William Castel bat ihn zu sich und zugleich eine Gesellschaft von 15 Personen. Des Abends gegen 6 Uhr war Herr von Swedenborg herausgegangen und kam entfärbt und bestürzt ins Gesellschaftszimmer zurück. Er sagte, es sei jetzt eben ein gefährlicher Brand in Stockholm am Südermalm (Gothenburg liegt von Stockholm über 50 Meilen weit ab) und das Feuer griffe sehr um sich.

Er war unruhig und ging oft heraus. Er sagte, daß das Haus eines seiner Freunde, den er nannte, schon in Asche läge und sein eigenes Haus in Gefahr sei. Um 8 Uhr, nachdem er wieder herausgegangen war, sagte er freudig: Gottlob, der Brand ist gelöscht, die dritte Tür von meinem Hause! - Diese Nachricht brachte die ganze Stadt und besonders die Gesellschaft in starke Bewegung. Sonntags morgens ward Swedenborg zum Gouverneur gerufen. Dieser befrug ihn um die Sache. Swedenborg beschrieb den Brand genau, wie er angefangen, wie er aufgehört hätte und die Zeit seiner Dauer. Desselben Tages lief die Nachricht durch die ganze Stadt, wo sie nun, weil der Gouverneur darauf geachtet hatte, eine noch stärkere Bewegung verursachte, da viele wegen ihrer Freunde oder wegen ihrer Güter in Besorgnis waren. Am Montag abends kam eine Estafette, die von der Kaufmannschaft in Stockholm während des Brandes abgeschickt war, in Gothenburg an. In den Briefen ward der Brand ganz auf die erzählte Art beschrieben.

Dienstag morgens kam ein königlicher Kurier an den Gouverneur mit dem Bericht von dem Brande, vom Verluste, den er verursacht, und den Häusern, die er betroffen, an: nicht im mindesten von der Nachricht unterschieden, die Swedenborg zur selbigen Zeit gegeben hatte, denn der Brand war um 8 Uhr gelöscht worden."

Nun liegt die Frage nahe: welche Ursachen befähigen einen Einzelnen, wie im erwähnten Falle Swedenborg, zum Hellsehen, während Tausende und Abertausende von Menschen diese Eigenschaft nicht im entferntesten besitzen, ja sie als etwas ihrem innersten Wesen so Urfremdes empfinden, daß sie nicht einmal daran zu glauben vermögen und zornig werden, wenn die Rede auf Hellsehen oder dergleichen kommt? - Ist ein Bevorzugter wie Swedenborg reifer? Ist er würdiger?

Ohne Zweifel hat es Tausende von Menschen gegeben, die geistig höher standen als Swedenborg und trotzdem die Gabe des Hellsehens nicht besaßen; andererseits viele, die moralisch und geistig tief unter ihm standen - vielleicht sogar Verbrecher waren -und dennoch das Zweite Gesicht hatten.

Aller Wahrscheinlichkeit nach, so will mir scheinen, ist Hellsehen eine Fähigkeit, die allen Menschen - vielleicht sogar Tieren, denn Instinkt zeigt oft eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit Hellsehen - innewohnt, nur wird sie meistens durch hemmende Beschaffenheit des Nervensystems oder des Blutes usw. gehindert, sich zu äußern. Es ist also nicht so, als ob sie wüchse im Menschen, nein: sie ist vorhanden und wird nur enthüllt, entfesselt, frei gemacht! - - Welche Mittel gibt es nun, um sie zu ent-hüllen? Der indische Yogalehrer Patanjali, eine Persönlichkeit des asiatischen Altertums, sagt:

"Die Siddhis (psychische Kräfte, zu denen auch das Hellsehen gehört) sind entweder angeboren oder erwachen durch Anwendung gewisser Kräuter oder durch Versenkung in das innerste Ich oder durch Askese."

Überdenkt man die drei letzten angegebenen Methoden, so muß man wohl zu dem Schluß kommen: Versenkung, Askese und insbesondere Anwendung von Pflanzengiften wirken mittelbar oder unmittelbar auf den Körper ein; sie ent-hüllen! Auch im Falle der "Versenkung"? Gewiß! Man lasse sich nur nicht zu der Meinung verleiten, innere Versenkung sei unlösbar mit religiösen Momenten verbunden! Der Buddhismus, als Beispiel hierzu angeführt, hat nichts mit Seele oder Gott zu tun, und doch führt die buddhistische Versenkung schneller als irgendeine andere - nebenbei - zum Hellsehen, trotzdem der echte Buddhist sie keineswegs übt, um solche Gaben zu erlangen.

Wer sich übrigens für diese Art der Versenkung interessiert, sei auf das hervorragende neue Werk von Georg Grimm "Die Wissenschaft des Buddhismus" (Verlag Drugulin) verwiesen. - Was den Hinweis des Patanjali auf die Anwendung gewisser Kräuter betrifft, so kann ja kein Zweifel bestehen, daß es sich in diesem Fall ausschließlich um Beeinflussung des Körpers handelt. Kein vernünftiger Mensch wird annehmen, daß man durch Gifte oder dergleichen die Seele wachsen machen könnte.

Patanjali gibt die Kräuter, von denen er spricht, nicht genauer an; es scheint, als habe man schon zu seiner Zeit sie absichtlich geheimgehalten. Unsere moderne Wissenschaft der Toxikologie steckt noch zu sehr in den Kinderschuhen, und die Kenntnisse primitiver Völker, soweit sie sich auf magische Anwendung von Giften behufs Erweckung von Hellsehen erstrecken, sind uns bisher verschlossen geblieben. Unsere Toxikologen haben wohl festgestellt:

"Dieses oder jenes Alkaloid erzeugt diese oder jene Halluzination", aber das Wesen der "Halluzination" haben sie nicht durchforscht: es schlug nicht in ihr Fach!! -

Da mich, obwohl ich kein Toxikologe bin, noch auch zu werden gedenke, gerade die Art solcher Halluzinationen lebhaft interessierte , beriet ich mich - ich glaube, es war im Jahr 1894 - mit einem befreundeten Arzt in Prag und beschloß, zuerst einmal mit dem allgemein bekannten Haschischextrakt einen Versuch zu machen.

Ich nahm auf seinen Rat hin einige Gramm Tinctura cannabis indicae, worauf mir prompt übel wurde. Dasselbe Phänomen wiederholte sich wohl ein dutzendmal. Ich schloß daraus, daß hier wieder einmal die moderne Pharmazie einen Wechselbalg geboren hat, dem sie als Würde einen wunderschönen Namen in die Wiege legte.

Höhnisch grinsend bestätigte mir das ein arabischer Tabakhändler, als ich ihm mein Leid klagte.

Ich hatte ihn zufällig in einem Eisenbahnkupee kennengelernt und mir sein Wohlwollen durch Kauf von tausend Zigaretten zugezogen. Im Lauf des Gesprächs erfuhr ich von ihm, daß echter Haschisch, wie er im Orient gebraucht wird, um Ekstasen religiöser Art hervorzurufen, auf besondere Weise hergestellt werden müsse.

Er versprach mir, aus Kairo eine bestimmte Menge zu schicken. Auf meinen Einwand, es würde schwer sein, Haschisch über die Zollgrenze zu schmuggeln, lächelte er still. - Nach einigen Monaten kam das Haschisch richtig an: es war in ein Schnupftuch eingewickelt, das in einem Kistchen mit Holzkohlenpulver versteckt lag.

Die Zollbehörde ließ das Paket durch, nachdem sich ein Beamter fluchend die Finger beim Durchsuchen an dem Kohlenpulver schwarz gemacht hatte. -

"Dreißig Gramm willst du von dem Zeug einnehmen?" fragte mich mein Freund, der Arzt, als ich ihm sagte, soviel habe mir der Araber als unbedingt erforderlich angegeben; - "bestell dir dann aber sogleich einen Sarg, ehe es zu spät ist!" - Ich wurde unsicher: hatte ich mich verhört? Ich suchte, mir ins Gedächtnis zurückzurufen, was mir der Araber geraten hatte: - "Sie müssen dreißig Gramm in schwarzem Kaffee auflösen und dann trinken. Dabei müssen Sie einen Bambusstab in die Hand nehmen: wenn der Keph (Rausch) eintritt, werden Sie die Empfindung bekommen', der Stab sei eine Leiter. Auf diese Leiter müssen Sie hinaufklettern..." Ich fragte: "Wohin komme ich dadurch?" - "In den Himmel!" war die schlichte Antwort gewesen. - - Dreißig Gramm? In den Himmel? Hm! - die Sache kam mir jetzt, wo mich der Arzt gewarnt hatte, äußerst doppelsinnig vor, und ich entschloß mich daher, es lieber erst einmal bei zehn Gramm bewenden zu lassen.

Für den kommenden Tag, es war ein Samstag vor zwei darauf folgenden Feiertagen, bat ich mehrere Freunde zu mir, damit sie Zeugen meiner Kletterei in den "Himmel" würden. Gegen drei Uhr nachmittags nahm ich den Trank ein und kam mir dabei vor wie der unberufen längst verblichene Sokrates mit dem Giftbecher. Eine Stunde verging: nichts.

Es wurde sechs Uhr: nichts. "Es werden Brennesseln gewesen sein statt Haschisch", meinte mein Freund, der Arzt, mißgelaunt, und hielt die Flasche mit Essig, die er als Gegengift mitgebracht hatte, ärgerlich gegen das Licht. Ich schritt ungeduldig im Zimmer auf und ab.

Plötzlich hatte ich das Gefühl, als sei ich etwa einen viertel Meter größer als sonst und ginge auf Kothurnen. Dabei war mein Wahrnehmungsvermögen jedoch nicht im geringsten getrübt, was die Dinge der Außenwelt betrifft.

Ein "kalter Rausch", so möchte ich es nennen, befiel mich, von Minute zu Minute stärker und quälender werdend. Das Wort "Betrunkensein" wäre ein verfehlter Ausdruck für den sonderbaren Zustand: meine Sinne wurden nicht getrübt wie bei einem Alkoholrausch, sondern im Gegenteil:

unbeschreiblich geschärft. Leise Geräusche hörte ich wie Donner. Von Ekstase irgendwelcher Art keine Spur. Vielmehr nahm eine seelische Nüchternheit von mir Besitz, wie ich sie nie vorher im Leben gekannt hatte. "Zu dumm: wir haben den Bambusstab vergessen!" brummte der Arzt, als ich es ihm sagte. - "Oder die Geschichte ist langweiliger als wir gedacht haben", wendete ich ein.

- Inzwischen hatte sich das Gefühl des Erhöhtgehens so gesteigert, daß ich zeitweilig glaubte, zu fliegen. Ich sah mit unerhörter Deutlichkeit wundervolle Gegenden, Gletscher und Täler tropischer Landschaften, Wälder und farbig beleuchtete Wüsten unter mir. Aber ihr Anblick entzückte mich nicht im geringsten; auch vergaß ich dabei keinen Augenblick, wo ich in Wirklichkeit war, nur daß mir diese "Wirklichkeit" noch viel banaler vorkam, als die Bilder der Vision. Eine Weile schwieg ich, denn die mir so gänzlich neuen Anblicke interessierten mich allmählich, und ich spähte gewissermaßen in ihnen aus, ob sich nicht irgend etwas zeigen möchte, das mir Aufklärung gäbe, ob das Land, das ich sah, wirklich existiere, - ein Mensch oder so. Es war eine innere Frage, die gleich darauf sich zu einer Antwort in Bilderart zu formen begann: Ich sah mich nämlich selbst aus einer Wolke gerinnen, nur trug ich nicht meine gewöhnlichen Kleider, sondern war in einen Asiaten, so schien es mir, verwandelt, - in einen Mann mit einem runden spitzen Strohhut, wie ihn die Annamiten tragen, und einem Joch mit zwei Eimern daran auf den Schultern. Er war barfuß und in einen ärmlichen Anzug aus blauer verschossener Leinwand gehüllt: ein Wasserträger offenbar. Er begann die Lippen zu bewegen, und ich horchte gespannt, was er wohl zu mir sprechen würde.

Argerlicherweise schlug da ein Satz, den einer der im Zimmer Anwesenden, ein Herr v. Unold, der Beamter bei der Kreditanstalt war, sagte, an mein Ohr und zerriß das Bild im Nu. - "So kommen wir nicht weiter!" hörte ich ihn reden, "glauben Sie nicht, daß Sie uns irgendeinen Beweis von Hellsehen geben könnten in Ihrem jetzigen Zustand?" - Ich sah den Sprecher an und wollte gerade erwidern: "Ich wüßte nicht, wie ich das anstellen sollte", da tauchte mit einem Male vor mir ein neues Bild auf, und zwar so scharf und deutlich, daß ich währenddessen fast vergaß, wo ich mich befand: Ich sah meinen Freund Hans Ebner, der ebenfalls mit meinen anderen Gästen zu dem Haschisch-Experiment eingeladen, aber bis dahin noch nicht gekommen war, vor dem in Prag allgemein bekannten hohen Haus des Uhrmachers S. stehen; er blickte hinauf zu der über dem Dachgiebel hellbeleuchteten großen Uhr. Ich sah mit ihm hinauf: die Zeiger wiesen auf zehn Minuten vor Zehn.

Mein Freund trug einen schwarzen Havelock und in der Hand einen Stock mit einer silbernen Öse, durch die er den Daumen gesteckt hatte, den Stock auf diese Weise im Kreise wirbelnd. Ich erzählte, was ich sah, den Anwesenden. -

"Da müßte Ebner etwa in einer Viertelstunde hier sein!" meinte Herr v. Unold. - "Nein, er besteigt soeben eine Droschke; er wird früher kommen", widersprach ich. Um mich zu prüfen, ob das Gesehene nicht wildgewordene Phantasie sei, bemühte ich mich sofort, das Bild zu verscheuchen und ein anderes beliebiges an seine Stelle zu rücken, aber so sehr ich mich auch bemühte, es ging nicht! Ich verfolgte den Weg der Droschke bis fast vor mein Haus, und wenige Minuten darauf betrat Ebner mein Zimmer; er trug den von mir gesehenen Mantel und den Stock, den ich früher nie bei ihm erblickt hatte. Er wurde genau verhört, und es ergab sich, daß alles bis aufs Haar genau stimmte, was ich gesehen hatte.

- Ein Zufall läßt sich als Lückenbüßer demnach in keiner Weise einschieben! Auch die Einzelheiten, deren Schilderung hier zu weit führen würde, ließen keinen Zweifel mehr zu. Im Verlauf der anschließenden Erörterungen kam Herr v. Unold auf den Einfall, mich auf Hellsehen zu prüfen, was das zeitliche und nicht das räumliche Moment betraf. "Stellen Sie sich einmal vor", redete er mich an, "es wäre heute nicht Samstag abend, sondern etwa elf Uhr vormittag am kommenden Dienstag! Gehen Sie einmal unter dieser Voraussetzung in den Flureingang der österreichischen Kreditanstalt auf dem .Graben'; dort hängt eine schwarze Tafel, nicht wahr?" -

"Ja, ich weiß; ich sehe sie überdies deutlich vor mir", sagte ich. - "Nun, da wird bald ein kleiner Junge vom obersten Stock herunterkommen und die Kurse auf die Tafel schreiben!" fuhr Herr v. Unold fort, "können Sie die Kurse lesen?"

- Sogleich sah ich den kleinen Jungen mit Kreide große Ziffern auf das schwarze Brett malen. Nacheinander ließ sich Herr v. Unold von mir die Kurse nennen, die ich sah, und notierte ungefähr zwanzig Zahlen. -

"Nordböhmische Kohlen", diktierte ich eiskalt und geradezu gelangweilt, "Nordböhmische Kohlen-Aktien: 414!" - "Dummes Zeug!" murmelte Herr v. Unold, "heute abend wurden sie noch mit 394 aus Wien gemeldet; ein so stilles Papier wie Nordböhmische Kohlen kann doch über zwei Feiertage nicht um zwanzig Gulden steigen!" - Ich nahm keine Notiz von dem Einwand und trachtete, die gesehene Ziffer auf der Tafel, die so deutlich vor meinem inneren Auge stand, daß ich sagen möchte, ich hätte sie mit Händen greifen können, auszuwischen, aber, wie vorhin im Falle Ebner, war es mir einfach unmöglich. "Wir werden ja sehen", sagte ich, "wenn die Dienstagkurse kommen".

Ein unbeschreiblich sicheres Gefühl, daß ich recht haben würde, hielt mich bei diesen Worten fest.

Fast im selben Augenblick noch betrat meine inzwischen von mir seit Jahren geschiedene Frau das Zimmer. Sie hatte von Anfang an große Furcht gehabt, ich könnte mir durch das Haschisch-Experiment Schaden an meiner Gesundheit zuziehen, und war infolgedessen von Anfang an heftig dagegen gewesen. Es entspann sich zwischen ihr und meinem Freunde, dem Arzt, ein ziemlich heftiger Wortwechsel, der damit endete, daß sie das Zimmer brüsk verließ und die Tür recht unsanft ins Schloß warf.

Ich hatte dem unerquicklichen Vorgang mit steigender Ungeduld zugehört, und dabei ergriff mich ein Zustand, gegen den es keine Abwehr gab: das Empfinden des Zeitablaufs verschob sich mir derart, daß ich jede Sekunde wie - sagen wir: eine Woche empfand; ich sah, wie die Tür zuflog, aber das darauf folgende Geräusch kam mir wie nach Stunden erst zu Gehör. Ich blickte in einen Handspiegel: ich sah eine leere schimmernde Fläche! Langsam, langsam trat dann mein Gesicht darauf hervor. Ich hörte meine Gäste mich anreden: die Worte, die sie sagten, lagen so weit auseinander, daß ich sie nach und nach mühselig zusammenfischen mußte, um mir den Sinn klarzumachen.

Es war ein Zustand so unbeschreiblicher Qual, daß ich jedermann eindringlichst warnen möchte, nicht ebenfalls mit Haschisch-"Genuß" Versuche zu machen. Ich habe die Überzeugung, daß dieses Gift den Vorstellungsinhalt, den der Experimentator jeweils hat, bis aufs äußerste steigert.

Wer kann von sich sagen: ich bin Herr über meine Gedanken in einem Grade, daß ich mich im Haschischrausch gefeit weiß gegen unerwünschte Eindrücke?! -- Mein Zustand dauerte fast ohne Unterbrechung zwei bis drei Tage: ich habe in dieser Zeit eine Ewigkeit scheußlichster Qual durchlebt, trotzdem man mir äußerlich nichts ansah und ich sogar wie sonst essen und trinken hätte können, wenn... das Kauen und Schlucken in meiner Vorstellung nicht so unendlich lange gedauert hätte.

--Das Merkwürdigste war: am Dienstag um elf Uhr, als die Kurse von der Wiener Börse gemeldet wurden, da... stimmten von den zwanzig Zahlen, die ich "gesehen" hatte, sechzehn.

Die Nordböhmischen Kohlen-Aktien standen buchstäblich 414!!! - Nur vier Kurse stimmten nicht! Sie betrafen Wertpapiere, die... ich selber besaß!! - Ich hatte die Kurse viel zu hoch angegeben. Offenbar hatte ein unbewußter Wunsch in mir das Hellsehen getrübt. Ein Umstand übrigens, der ein merkwürdiges Licht auf das Wesen des Hellsehens wirft.

Ein Zufall hat auch hier sicherlich nicht mitgespielt, und darum erhebt sich wohl mit Recht die Frage: war am Samstag abend bereits im Buch des Schicksals besiegelt, was sich ziffernmäßig am Dienstag darauf begeben hat? Der Normalmensch wird darüber lächeln. Worüber lächelt nicht der Normalmensch? Über so ziemlich alles lächelt er: nur über sich selbst lächelt er merkwürdigerweise. .. nicht. --