Bergedorf als Kanton
Ich war ja lange genug in den Schweiz (4 Tage), um herauszufinden, was das Beste für Bergedorf ist. Für mich steht fest:
Wir Bergedorfer wollen der 27. Kanton der Eidgenossenschaft werden!
Endlich können wir unsere eigene Verfassung ausarbeiten, endlich können wir die glorreiche beiderstädtische Zeit von 1420 bis 1867 unter
anderen Vorzeichen wieder aufleben lassen.
Und endlich können wir die uns zustehenden IC- und ICE-Halte auch wirklich erfolgreich einfordern - denn ein Kantonshauptort kann selbst von
der nunmehr ausländischen Deutschen Bahn nicht mehr links liegen gelassen werden!
Ja, die Fuchswiese im Bergedorfer Gehölz wartet schon auf unseren Schwur, künftig ein "einig Volk von (zugegebenerweise etwas komischen)
Brüdern" sein zu wollen und nicht etwa von unsicheren Kantonisten.
Ob das Ganze nun auch das beste für die Schweiz ist, weiß ich natürlich nicht und es ist zumindest nicht ganz undenkbar, dass es einige
Eidgenossen gibt, die daran einige Zweifel haben, aber immerhin gibt es ja einiges, was uns kantonskompatibel machen könnte.
Zumindest sind wir nicht zu klein, wir haben mit ca. 120 000 Einwohnern mehr Bürger als Appenzell Außerrhoden und Innerrhoden zusammen, mehr
als Obwalden und Nidwalden zusammen, mehr Einwohner als Schaffhausen, mehr als Uri und sogar mehr als Zug. Und wenn dann nach unserer
Unabhängigkeit von Hamburg auch noch Geesthacht wieder zu Bergedorf zurück kommt, dann können wir uns sogar mit Schwyz messen. Andererseits sind
wir aber auch nicht zu groß, um bei den das deutsche Bundesland Bremen übertreffenden Kantonen Bern und Zürich Argwohn zu erwecken -
mit anderen Worten: Wir haben genau die richtige Größe, dreieckig, nicht sperrig, prima. 1)
In geographischer Hinsicht passen wir schon mal sehr gut in den helvetischen Flickenteppich hinein, denn Enclaven und Exclaven sind für
eidgenössische Schüler in der Erdkundestunde das täglich Brot und eine zugegebenerweise ziemlich weit abgelegene Exclave wie Bergedorf könnte den
Geographieunterricht selbst für verwöhnteste Gymnasiasten dementsprechend spannender machen. 2)
Außerdem: Wir haben nach den Harburger Bergen und dem Süllberg in Blankenese mit dem Gojenberg Hamburgs dritthöchstes Gebirge (mit Gipfeln von
fast 100 Metern!) und passen deshalb schon topographisch gut zu typischen Schweizer Kantonen - zumal Carl Spitteler ja geschrieben hat:
"Hätten wir Schweizer die Schweiz selbst erschaffen - die Alpen wären nicht so hoch ausgefallen." 3)
Und das trifft auf unsere Berge in besonderem Maße zu.
Sprachlich können wir das Sortiment an Dialekten und Sprachen wunderbar komplettieren. Es gibt ohnehin mit Deutsch, Französisch, Italienisch
nd Rätoromanisch vier Sprachen, wobei letzteres mit Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Putér , und Vallader noch fünf Standards hat, zu dem
neuerdings noch der Oberstandard "Rumantsch Grischun" dazugekommen ist. 4) Vom Französischen gibt es noch Franko-Provenzalisch (wenn auch fast nur
noch in Evoléne) und vom Italienischen noch den lombardischen Dialekt. Da stört unser Bergedorferisch wohl kaum! Ganz im Gegenteil:
Bislang gibt es in der Schweiz nur oberdeutsche Mundarten, die bis auf das tirolerischsprachige Samnaun und das eher niederallemannische
klassische Baseldeutsch stark Hoch- und gar Höchstallemannischlastig sind, auch wenn letzteres seinerseits noch in Berner Oberländisch, Walliser-
und Senslerdeutsch zerfällt. Aber wenn sich nun zu den vielen oberdeutschen Tönen noch ein Klecks Niederdeutsches gesellen würde - es wäre doch
eine Bereicherung ohnehin schon wundervollen helvetisch-babylonischen Babbelns durch unser norddeutsch-breit nebelschwadenschwabbelndes Gesabbel -
eine viel stärkere, als es zum Beispiel das Saarländer Platt wäre, das ja eigentlich Moselfränkisch ist, das sich mit seiner Eigenbezeichnung nur
schnöde "niederstapelnd" tarnt.
Allerdings: bei der direkten Demokratie brauchen wir schon ein bisschen Nachhilfe - in ganz Deutschland ist es nämlich ein Ding der Unmöglichkeit,
irgend etwas zu machen, wenn das Volk zustimmen muss - ganz egal, worum es geht, nur eins ist eigentlich immer sicher: die Mehrheit ist dagegen.
Wie bringt man einem Volk bei, was es wollen zu sollen hat? Oder müssen darf? Oder zu wünschen verpflichtet ist? Oder wie bringt man es dahin,
dass es freiwillig unpopulären Vorgaben - und Vorgaben sind immer unpopulär - folgt? Zugegeben, eine schwierige Angelegenheit. Aber das sind im
großen und Ganzen Detailfragen, deren Klärung gern auf später verschoben werden kann - also durchaus etwas, was sowohl der Bergedorfer Eigenheit,
alles auf die lange Bank zu schieben als auch der schweizerischen unübertroffenen Fähigkeit im Zuwarten (z.B. beim UNO-Beitritt) gemäß ist. Und
das würde uns schon wieder passend machen.
Vielleicht schaffen wir es ja auch irgendwie, den Chef des HWWI (Thomas Straubhaar) zwei Kilometer weiter westwärts zu locken 5)- dann hätten wir
schon mal einen prominenten Schweizer Bürger im Bezirk, dessen Interessen die Eidgenossenchaft machtvoll vertreten könnte. Und das wäre natürlich
schweizerseits ein wichtiges Argument, Bergedorfs Unabhängigkeit nach Kräften zu unterstützen und uns Bergedorfern womöglich noch massenhaft
Schweizerpässe auszustellen und demzufolge massenhaft ganz neutrale militärische Unterstützung angedeihen zu lassen. Naja, ein erstes Anzeichen
dafür, dass sich Hamburg auf diplomatisch rauhe Zeiten einstellen muss, gibt es ja schon - das Schweizer Generalkonsulat in Hamburg wird nämlich
nach 162 Jahren Ende September 2009 dichtgemacht und in ein Honorarkonsulat umgewandelt. 7)
Zum Abschluss noch ein Argument, an dem selbst die skeptischsten Bundes- National- und Ständeräte 6)kaum vorbei gehen können: Derzeit hat die
Schweiz 26 Kantone, und das ist zweimal eine Unglückszahl, nämlich zwei mal 13. Wenn nun Bergedorf dazu kommt, gibt es 27 Kantone - und wenn schon
aller guten Dinge drei sind - wie unübertrefflich und großartig muss dann erst drei hoch drei beziehungsweise drei mal drei mal drei sein?
Also mit anderen Worten: Wir Bergedorfer sind genau das, was der Schweiz nun gerade noch gefehlt hat!
Anmerkungen:
1)Man konsultiere hierzu die Angaben des Schweizerischen Bundesamtes für Statistik
2) Man sehe sich in diesem Zusammenhang eine Karte der Schweiz (Verwaltungsgliederung) daraufhin an -
und man wird viele diesbezügliche Funde machen.
3)Zitat aus Hugo Loetscher - "Wenn der Liebe Gott Schweizer wäre". Die Idee mit dem Zuwarten wurde aus dem gleichen
Text übernommen.
4)siehe die entsprechenden Artikel in wikipedia
5)Er wohnt in Hinschendorf (Reinbek)
6)Bundesrat: in der Schweiz die Bundesregierung, Nationalrat, Ständerat: die zwei Kammern des schweizerischen Parlaments
7)Die Welt, 13.9.2008