Plädoyer für weniger Gesetzestreue
von Arne Poeck
Dieser Text bezieht sich auf drei Artikel der Tageszeitung Hamburger Abendblatt vom
12.5.2004
(leider ist ausgerechnet das Peiner-Zitat nicht online) und die Welt
18.5.2004 und
29.5.2004
Bis Ende 2003 war es leicht, einen Innensenator beinahe zu einem
feuerspeienden Drachen umzuwandeln. Man musste nur beiläufig folgende Wörter
erwähnen, und schon ballte sich glühend heißer Schaum vor seinem Mund:
Autozerkratzer!
Schwarzfahrer!
Graffitisprayer!
Selbst mit den Wörtern Mord und Totschlag konnte man eine gewisse Wirkung
erzielen.
Aber der jetzige Senat zeigt Ansätze, das ganze angesichts der Allgegenwart von
Finanzlöchern etwas lockerer zu sehen. So wurde Finanzsenator Wolfgang Peiner am
12. Mai mit folgenden Worten zitiert: "Wir sind noch auf ein paar Falschparker
angewiesen."
Ich möchte die Bedeutung dieses Satzes kurz an drei Beispielen erläutern.
- Wer einen Radweg zuparkt, tut dies nicht aus Rücksichtslosigkeit, sondern aus
finanzpolitischem Patriotismus.
- Wer in Flensburg fleißig Punkte sammelt, hat nur das Wohl der Stadt im Sinn.
- Wer in zweiter Reihe parkt, ist nicht etwa zu faul zur Parkplatzsuche, nein - er hilft
uneigennützig, den Staatssäckel aufzufüllen.
Mit anderen Worten: Falschparker glühen vor Idealismus, ihr Verhalten wurde darum zu
Recht vom Finanzsenator als staatstragend, ja notwendig geadelt - ein
zukunftsweisender Handlungsansatz, den der Senat ruhig noch etwas mutiger
verfolgen könnte:
- Eine Gaunerei sollte nicht mehr als Gaunerei, sondern als Akt kriminologischer
Opferbereitschaft angesehen werden - immerhin bringen saftige Geldstrafen die
Staatskasse zum Klingeln und sichern Arbeitsplätze von Polizisten.
- Alle bußgeldpflichtigen Vergehen, ja, selbst das Schwarzfahren dienen der Stadt,
denn was würden ohne Schwarzfahrer die ganzen S-Bahn-Kontrolleure machen?
- Selbst das so geschmähte Graffitti-Sprayen wirkt segensreich: - Die Sprayer
sichern nämlich ihre eigenen Arbeitsplätze, weil man sie sinnvollerweise dazu
verdonnert, ihre Schmierereien wieder zu entfernen.
Aus dem Gesagten wird überdeutlich klar: Delinquenz stiftet sozialen Nutzen.
Keiner braucht sich mehr dumm von der Seite anquatschen zu lassen, weil er
ordnungswidrig oder knapp illegal handelt - nein, er kann mit der Gegenfrage
kontern: "Und was tust du für den Staatshaushalt?"
Also, Leute:
- Macht Schluss mit der Gesetzeskonformität - sie ist in Wirklichkeit nichts als Geiz.
- Zeigt Opferbereitschaft, parkt falsch,seid kreativ bei Regelverstößen.
- Denkt an das Wohl der Stadt!
Aber:Lasst euch nicht dabei erwischen, euch dabei nicht erwischen
zu lassen!
P.S.
Bei der Klausurtagung Ende Mai 2004 ging der Senat übrigens mit gutem
Beispiel voran: Ein Senator und ein Staatsrat wurden auf dem Weg nach
Husum geblitzt (leider in Schleswig-Holstein, und so kriegt Hamburgs
Nachbar das schöne viele Bußgeld)