Anmerkung: Dieses Gedicht wurde anlässlich einer Benefiz-Veranstaltung der Bergedorfer Literatten zugunsten der Reinbeker Stadtbibliothek im Reinbeker Schloss am 10.9. 2002 vorgetragen.

Der Schlossgeist zu Reinbek meldet sich zu Wort

Seit vierhundert Jahren bei Regen und Sturm,
auch bei Sonnenschein - spuke ich hier nun im Turm
und ich rassel' mit Ketten und versetze 'nen Schreck
allen Leuten hier drinnen - oft laufen sie weg.
Viel Vergnügen hab' ich dabei übrigens nicht,
doch als Schlossgeist erfüll' ich nun mal meine Pflicht.

Die Besucher im Schlosse in Massen hier wuseln -
es bringt Geld in die Stadtkasse, wenn sie sich gruseln,
denn Touristen, die sind auf Gespenster ganz wild,
und ich bin es, der ihre Erwartung erfüllt.

Meine Freude jedoch kommt aus anderem Wesen:
Auch nach vierhundert Jahren bin ich ganz wild aufs Lesen,
darum schleich ich mich, hab' ich am Tage 'mal frei
ganz incognito 'rein in die Stadtbücherei.

Meine Freunde, die wissen aus reicher Erfahrung:
So ein Schlossgeist wie ich braucht viel geistige Nahrung,
neide niemand sein' Kaviar und Sekt, wenn er'n hat,
denn ich werde durch reichlich Lektüre nur satt.

Doch seit Wochen bemerk' ich verstört und verdrossen:
Reinbeks Bibliothek, die ist immer geschlossen!

Das finde ich gar nicht sehr gentlemanlike -
wenn sich das nicht schnell ändert, dann tret' ich in Streik!
Kein Kettengerassel, keine klappernden Knochen,
kein gespenstisch Geheul, grausig Klopfen und Pochen!
Und ich such' mir nen Ort - ich mach hier keinen Scherz -
wo man hat für beles'ne Gespenster ein Herz!

Doch nun höre ich glücklich: Literatten und Gäste
die sind Freunde der Bücher - ich wünsch' euch das beste!
und ich mach' euch zur Freude noch einmal die Runde
zu 'ner außerplanmäßigen Kurz-Geisterstunde!

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P.S. Und so sah ich aus, als ich dieses Gedicht vorgetragen habe: